Flusskrebse

Lassen Sie die Finger davon
Da stehe ich nun an der Fischtheke, der Flusskrebs hinter dem Glas springt mir förmlich ins Gesicht und kitzelt virtuell meine Geschmacksnerven. Würde ihn gerne kaufen, tue es aber nicht. Weil ich – wovon ich überzeugt bin – im Besitz der Weisheit bin, die mich davon abhält. Die ist allerdings schon zwanzig Jahre alt und eventuell verstaubt..
Bisher war ich auf dem Stand, dass der Lousiana-Flusskrebs - der da hinter der Theke liegt - wenn mich nicht alles täuscht, in China gezüchtet wird, dann nach Norwegen weiter verkauft wird und danach auf deutschen Fischtheken landet. Ob das ein Kundentäuschungsmanöver ist, mag ich nicht so recht beurteilen. Aber mit Verlaub, ich kaufe keine Produkte, die in China herumgeschwommen sind.
Warum es der Lousiana-Flusskrebs und nicht der Deutsche Edelkrebs ist, der da bei uns verkauft wird, hat folgende leidvolle Geschichte:
Gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde aus Nordamerika die Krebspest – vermutlich mit Importen lebender Krebse – nach Europa eingeschleppt. Innerhalb von wenigen Wochen wurden die Krebsbestände ganzer Gewässersysteme ausgerottet. Erreger der Seuche ist der Pilz Aphanomyces astaci. Nur wenige Bestände blieben verschont, konnten sich wieder erholen und ausbreiten. Zwar werden auch die amerikanischen Arten vom Krebspest-Erreger befallen, aber die Krankheit verläuft bei ihnen nicht seuchenartig.
Der Louisiana Flusskrebs (Procambarus clarkii) ist in den südlichen USA und Nordmexiko beheimatet, wurde aber durch Zucht in weite Teile der Welt eingeführt. Sein natürlicher Lebensraum sind stehende Gewässer, die zeitweise trocken fallen, wie zum Beispiel Fluttümpel in Flussniederungen. Reisfelder sind diesen natürlichen Lebensräumen sehr ähnlich und eignen sich daher gut für die Flusskrebszucht. Flusskrebse sind ökologisch sehr anpassungsfähig.
Kürzlich gab es aber ein Ereignis mit froher Kunde, das mich mein Kaufverhalten überdenken lässt. Könnte sein, dass meine verborgenen Gelüste endlich in einem Flusskrebs-Kaufrausch überführt werden.

Oben habe ich geschrieben, man solle die Finger davon lassen. Wenn man die schön drapierten roten Biester so bestellt, gibt es beim Verzehrversuch ein elendes Gewürge, sie aus dem Panzer zu puhlen. Am Ende bleibt ein Riesenhaufen Schale und ein paar Pitzchen Krebsfleisch. Man kauft besser einen der Salate mit Krebsfleisch, da hat man was davon.
Jetzt muss ich aber das "Ereignis" aufklären. Als ich neulich auf die Idee kam, Lachs zu bestellen, habe ich die "Deutsche See" gefunden. Und so beiläufig konstatiert, dass da meine vermeintlich chinesischen Kieferzangenkneifer im Angebot waren. Das hat mich natürlich neugierig gemacht und ich konnte feststellen, dass die Deutsche See die Krebse aus Portugal bezieht. Was natürlich für mich alle Kaufhindernisse beseitigt. Wenn die roten Kameraden jedoch aus China nach Portugal verfrachtet werden - was ich nicht glaube - stehe ich nahe am Abgrund. Aber ich sage Ihnen, ich werde das noch hochnotpeinlich prüfen. Die Recherche ist schon unterwegs.
Gleichzeitig habe ich bei der Deutschen See Fischfeinheiten geordert, mit denen wir lange auskommen. Sogar fischbelegte Pizza ist dabei. Habe überlegt, ob ich die Bestell-Liste hier veröffentlichen soll, mich aber dagegen entschieden. Will niemanden den Hals lang machen. Wir sind nun wirklich gespannt, was da am 8.8. um 8 Uhr zur Haustür hereinkommt.
Falls diesbezüglich alle Stricke reißen, sehe ich mich gezwungen, nach den neuen deutschen Flusskrebsen zu suchen. Die nach der Krebspest wieder angesiedelt werden konnten und nicht durch den bösen Pilz verseucht sind. Ich habe ja das Privileg der vor langer langer Zeit bestandenen Anglerprüfung. Weil ich einem Fischereiverein angeschlossen bin, gelte ich als Fischereiberechtigter. Von Juni bis Ende Dezember ist es erlaubt, einzusammeln. Wenn man sie findet.
Mehrere nationale und internationale Rechtsgrundlagen schützen die heimischen Flusskrebsarten. Sie unterliegen generell dem Fischereirecht und nur der Fischereiberechtigte darf Flusskrebse fangen und sich aneignen.
Für Edelkrebs und Steinkrebs gelten dabei strenge Schonmaße und -zeiten, der Dohlenkrebs ist ganzjährig geschützt. Besonders für den großwüchsigen Edelkrebs steht der "Schützen durch Nutzen"-Gedanke im Vordergrund; seine Bewirtschaftung und Hege in Weihern und Teichen wird durch das Fischereirecht gezielt begünstigt.
Ich habe überlegt, was ich tun würde, wenn mich das Fischereirecht nicht gegenüber dem unbedarften Normalotto bevorrechtigen würde und bin zu einer interessanten Erkenntnis gekommen. Weil ich aber wegen einer Bestellung bei der Deutschen See strafrechtlich nicht belangt werde, ist alles in Ordnung.
Heinz Elflein
04.08.2025

