Bescheuert
Vor einem halben Jahrhundert habe ich ein paar Monate bei einer Dienststelle gearbeitet, die für den (sehr umfangreichen) Betrieb den Einkauf erledigte.
Die Richtlinien hierfür waren entweder die VOL oder VOB. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) ist Teil des deutschen Vergaberechtes und regelt die Ausschreibung und die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland.
https://www.bescha.bund.de/SharedDocs/Downloads/02_kdb_subsite/gesetze_beschluesse_etc/vol_A.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Die VOB ist die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen.
Die beiden Richtlinien sollen unter anderem sicherstellen, dass der günstigste Bieter den Zuschlag erhält (und dass nicht gemauschelt wird, wie es in diesem Gewerbe oft vorkommt). Mit dem günstigsten sachkundigen Bieter kommt es zum Vertragsabschluss.
Im Fall der Kündigung des Vertrages sind bis dahin bewirkte Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen. Im Übrigen hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in entsprechender Anwendung von § 642 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu bestimmen ist. Dabei kann es auch um Schadenersatz gehen, wenn eine der Vertragsparteien gegen den Vertrag verstößt.
Meine seinerzeitige Tätigkeit unterlag dem Beamtenrecht. Das Beamtenrecht beschränkt die Haftung der Beamten grundsätzlich auf vorsätzliche und grob fahrlässige Verletzungen. Führt der Beamte eine Kasse, haftet er natürlich für Minderbeträge. Mehrbeträge darf er jedoch nicht behalten. Das wäre ja noch schöner, weil es ein Anreiz wäre, Kunden zu übervorteilen.
Aber das ist hier nicht das Thema. Hier geht es um Millionen, die der Einfaltspinsel Andreas Franz „Andi“ Scheuer bescheuerterweise in den Sand gesetzt hat. Indem er einen von ihm abgeschlossenen Vertrag gekündigt hat. Grund: Die EG hat die Einführung der von der Regierung beschlossenen Maut untersagt. Scheuer hatte den Vertrag mit seinem Namen „Scheuer“ unterschrieben, bevor die EG diese Entscheidung gefällt hatte. Nomen est Omen. Zum Verständnis: Das ist ungefähr so, als ob Sie einen Vertrag zum Kauf eines Hauses unterschreiben, die Bagger bereits den Keller ausgehoben haben und sie sagen, Sie bräuchten das Haus nicht mehr. Das kostet den Staat, also uns allen, 243 Millionen Euro. Ich weiß nun nicht, ob die Schadenersatzforderung rechtens gewesen wäre, wenn der Jungminister mit „Bescheuerter“ unterschrieben hätte. Darüber können wir auch leider nicht diskutieren. Und um Ihnen nicht auf die Nerven zu gehen, werde ich im weiteren Laufe dieser Geschichte auf den Namensvergleich verzichten.
Rheinische Post: Meinung | Berlin „· Andreas Scheuer hat als Verkehrsminister die Maut gegen die Wand gefahren und es ist richtig, dass Minister Wissing jetzt Regressansprüche prüfen lässt. Auch mit Blick auf künftige Fälle. Die Pleite hat allerdings viele Väter und Mütter. Da liegt Verkehrsminister Volker Wissing völlig richtig – 243 Millionen Euro sind kein Pappenstiel. So viel soll der Bund für das Maut-Debakel an den eigentlich vorgesehenen Betreiber überweisen. Geld, das anderswo fehlen wird. Und mit dem viele gute Projekte oder Maßnahmen finanziert werden könnten. der Vorgang an sich sollte Politikern eine Mahnung sein, zunächst mehr nachzudenken, mehr zu klären, bevor man dann handelt und entscheidet. Zumal die Probleme immer komplexer werden. Manchmal reicht es aber immer noch, einfach mal wieder den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Die ganze Angelegenheit hat aber noch eine andere Dimension. Man kann von Andreas Scheuer und seinen Leistungen als Verkehrsminister aus gutem Grund nicht viel halten, ihn aber jetzt ausschließlich für das Desaster verantwortlich zu machen, ist billig. Und falsch. Sicher, der Minister hat die Mautverträge unterschrieben, obwohl die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes noch ausstand. Da hätte man warten können, es nicht zu tun, es war eher dämlich. Scheuer stand seinerzeit aber erheblich unter Druck – es gab einen Bundestagsbeschluss, und es gab die Daumenschrauben seiner Partei, der CSU, die ihm angelegt worden waren. Widerstand gab es weder aus der Großen Koalition, auch nicht ernsthaft von der SPD, schon gar nicht von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel. Ihr Versprechen aus dem Wahlkampf 2013 - „mit mir wird es keine Maut geben“ - hat sie nicht eingehalten. Mehr noch, Merkel ließ es zu, dass die CSU ihre Zusage einfach einkassierte. Kurzum: Die Pleite hat viele Väter und Mütter. Sie zeigt darüber hinaus, wie selbstherrlich politische Entscheidungen mitunter getroffen werden - und mit welcher Vehemenz vor allem die Christsozialen in Regierungsverantwortung im Bund ihre rein bayerischen Interessen im Blick haben. Das macht Scheuers grandiose Fehlentscheidung nicht besser. Als Sündenbock allein taugt er aber nicht. „
Naja, liebe Rheinische Post, die Du traditionsabhängig unionfreundlich bist, was Du auch mir gegenüber schon zugegeben hast. Klar ist Scheuer der Sündenbock. Er hat unterschrieben und sich damit gegen alle Gesetze und Verordnungen gestellt. Und wenn es der Druck seiner eigenen Partei war, die ihn dazu getrieben hat, dürfen Zweifel an seiner Standfestigkeit und seinem Charakter allgemein erlaubt sein.
Schließlich weiß jeder weniger gut bezahlte Mitarbeiter des mittleren Dienstes aus den Dienststellen für Beschaffung, dass ein Vertrag nicht im Hinblick auf kommende Fakten geschlossen werden darf, sondern, dass die Voraussetzungen für den Vertragsabschluss erfüllt sein müssen.
Es ist nämlich auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass sich die EG den Beschlüssen der CSU verpflichtet fühlt. Insofern darf ich mein obiges Wort von der Einfaltspinselei des CSU-Politikers wiederholen.
Es gibt aber noch einen Aspekt, den die Rheinische Post auch angesprochen hat, als sie von Selbstherrlichkeit der bayerischen Politiker sprach. Es kann durchaus sein, dass dem guten Andy die gesetzlichen Vorschriften bekannt waren. Es ist sogar wahrscheinlich. Wenn das so ist, hat er sich allerdings selbstherrlich darüber hinweggesetzt. Nach dem Motto „Was sollen die gesetzlichen Vorschriften, wir von der CSU sind das Gesetz“.
Dann sollte er allerdings auch Schadenersatz für die Bundesrepublik Deutschland leisten. Sagt der Moralist in mir. Der langjährige Mitarbeiter in Düsseldorf und Bonn weiß aber, dazu wird es nicht kommen. Die Gesetze geben es nicht her. Die politische Karriere des Herrn Scheuer dürfte aber beendet sein.
Heinz Elflein
01.08.2023
https://www.focus.de/politik/deutschland/pkw-maut-bund-verzichtet-auf-klage-gegen-ex-verkehrsminister-scheuer_id_259532675.html
28.12.2023
Nachtrag vom 1.4.
Heute wurde bekannt, dass Herr Scheuer sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung zurückgibt.
Es dürfte sich nicht um einen Aprilscherz handeln