Bratwurst und Silvaner

Es war Ende März 1959. Ich hatte gerade meinen Umzug nach Düsseldorf beendet. Anfang April sollte meine Lehre in Düsseldorf-Oberkassel beginnen. Es war für mich ein überwältigendes Erlebnis, über die Oberkasseler Rheinbrücke zu gehen. So einen breiten Fluss hatte ich noch nie gesehen. Zur berühmten Königsallee (Kö) war es von dort nicht mehr weit. Alles beeindruckend. An der Ecke zur Graf-Adolfstraße hatte ein Bratwurststand geöffnet.

Da war ich Jüngelchen aus dem Bratwurstland sehr gespannt, wie die Bratwürste in der Weltstadt Düsseldorf schmecken würden.

Meine Leser wissen, was dann passiert ist, wir brauchen an dieser Stelle nicht mehr darüber zu reden.

Wer von der fränkischen Küche spricht, kommt an der fränkischen Bratwurst nicht vorbei. Sie ist einzigartig in Deutschland und – neben dem Karpfen - die Spezialität der Mittelfranken. Es gibt sie aus der Pfanne, als Blaue Zipfel (aus dem Essigsud mit Zwiebeln) oder geräuchert. Sie bestehen aus Schweineschulter, reichlich Majoran (schützt vor Rheuma und bösen Geistern), schwarzem Pfeffer, Salz und einer winzigen Prise Muskat. Das ganze schmeckt auch als Bratwursthäck mit Zwiebeln auf Brot vorzüglich.
Die frische Bratwurst muss das Aussehen von Hackfleisch in der Wurstpelle haben. Sieht sie anders aus, ist sie - mit Verlaub – nicht rasserein, eine Promenadenmischung.

 

 

Natürlich hat jeder Betrieb sein Spezialrezept. Es gilt aber aufzupassen, weil manchmal Bratwurstfälscher am Werk sind, vor allem in Unterfranken . Im mittelalterlichen Sulzfeld (bei Kitzingen) gibt es sogar eine Meterbratwurst. Wer weiß, wem damit das Maul gestopft werden soll. Der Meterbratwurst kann ich leicht widerstehen (beim Wein vom Sulzfelder Cyriakusberg fällt mir das schwerer). Die besten blauen Zipfel meines Lebens verzehrte ich beim Falken in Tauberzell.

Eine besondere Rolle spielen die Bratwürste in Oberfranken. Sie schmecken auch ausgesprochen lecker, sind aber Thüringer, die nach einem anderen Rezept – ohne Majoran - hergestellt werden. Vor allem in der Coburger Gegend, auf Kiefernzapfen gegrillt, sind sie wahrlich nicht zu verachten. Zu den fränkischen Bratwürsten gehört
kein Senf, wenn es auch manchmal die Einheimischen tun. Aber gegen schlechten
Geschmack sind eben auch manche Franken nicht gefeit. Zu den "Geräucherten" ist Meerrettich erlaubt.

Dazu ein kleines Kirchweihlied:


Wo is denn des Gerchla?
Gerchla is fei net derhamm
Der is auf der Kärwa
Frißt die ganzen Broatwerscht zamm.

In vielen Teilen Frankens sind Bier und Wein gleichberechtigt. Es ist im Prinzip egal, was zu Bratwürsten oder zu Karpfen getrunken wird, beides schmeckt. Wenn mich nicht der größere Durst zu einem Bier verleidet, ziehe ich einen trockenen Silvaner  vor.

 

Das „schreckliche“ Erlebnis im März 1959, war zwar irgendwie geeignet, mir den Aufenthalt im Rheinland zu vermiesen. Ich habe das aber kompensiert und lebe 66 Jahre danach immer noch in der Nähe der Oberkasseler Brücke. Wenn ich nach Franken komme, nehme ich eine Tasche voll Bratwürste mit. Unserem nachbarlichen Metzger habe ich das Rezept vermittelt und er macht es ganz gut. Die Metzgerei Meyer aus Nürnberg schickt mir die Würste im vereisten Paket innerhalb eines Tages.

Der Silvaner wartet dann im Keller.

Heinz Elflein

14.05.2024