Orgien

 

Manchmal habe ich als Hobby-Autor das Problem, eine einschlägige Überschrift für den nachfolgenden Sachverhalt zu finden. Zitat: Orgie, in der Antike "heilige Handlung", religiöser Ritus; heutiges Verständnis: ausschweifendes Gelage mit exzessiven Konsum von Genussmitteln, Drogen und wahllosen sexuellen Aktivitäten.

Wenn ich den Begriff nun konterkariere, ist das reiner Spott. Es hilft mir aber, mit dem Fluchen aufzuhören, wenn ich mal wieder am PC mit der heiligen Handlung Geld-ausgeben beschäftigt bin. Auch wenn es überreagiert ist.

Schön, dass Sie sich hierhin gewählt haben. So einer Überschrift muss man doch nachgehen. Es entspricht der Grundeinstellung eines Menschen und sichert die Übervölkerung von Mutter Erde. Man braucht sich deswegen keine Vorhaltungen zu machen. Die Evolution – die ja bei allem ihre Pfoten hineingesteckt hat – hat das so gewollt. Manche meinen auch, es war eine noch höhere Gewalt.

Sofern Sie also ein erotische Ausrichtung der folgenden Sätze erwartet haben, muss ich Sie enttäuschen. Worüber ich hier schreibe, kann man nicht anfassen. Vielleicht ein anderes Mal. Zwischenzeitlich können Sie sich ja das zu Gemüte führen:

https://www.elfleinsbemerkungen.de/gesellschaft/welt-ohne-maenner.

Habe ich 2017 geschrieben.

Dann will ich mal zur Sache kommen. Es nervt. Muss ich mir von der Seele schreiben. Es geht um die Passwort-Orgien, deren man Herr werden muss, wenn man durch den Software-Dschungel kommen will. Es ist manchmal eine verflixte Kettenreaktion, die einem da aufgedrängt wird. Allein das Eingeben der Passwörter ist kein Problem, aber die Eventualitäten, die während der Buchung auftauchen können, machen Ärger.

Jedes moderne Unternehmen, das etwas über das Internet verkauft, möchte, dass man sich als Kunde registrieren lässt. Dafür braucht man natürlich eine Passwort. Es gibt auch richtige Manager dafür. Sie nennen sich Passwort-Manager. Mit denen will ich mich nicht abgeben, mag da keine Fremdbestimmung. Außerdem sollen meine Passwörter keine kryptischen Zeichensammlungen sein. Wenn ich zum Beispiel für ein Bankprogramm ein für mich nachvollziehbares Passwort brauche, nehme ich „ArmeSau“. Für gewisse Damen empfehle ich „sanfteEmma“ oder „wildeHexe“.

Diese Passwort-Orgien sind ja nicht nur einstufig, sie bauen sich zu Kettenreaktionen auf. Will das mal beschreiben. Da habe ich, wie jeder Halbmillionär, ein Konto für etwas, was das Finanzamt nicht interessiert. Der harmlose Fall: Ich gebe in einen Browser die Internet-Adresse des Instituts ein. Es meldet sich dessen Seite und fordert mich auf, meine Zugangsdaten einzugeben. Bestehend aus Name und Passwort. Alles noch ganz normal. Habe ich diese Hürde überwunden, bin ich eingeloggt, weil ich den Zettel mit den Daten in der Hosentasche habe. Ab sofort wird mir die Initiative genommen. Das Programm des Instituts sendet eine „Persönliche Identifikationsnummer (PIN)“ an mein Mobiltelefon, bevor es sich überhaupt darum kümmert, weswegen ich mich eingewählt habe.

Das ist schon die erste, leider eingefahrene Unverschämtheit. Ich bin dadurch gezwungen, ein Mobiltelefon, für mich Mäusekino, zu besitzen. Wenn nicht, kann ich mir die Geschäftsbeziehung in die Haare schmieren.

Wenn das Nümmerchen auf meinem Mobilteil landet - was nicht immer der Fall ist – muss ich es abtippen und an das anfordernde Programm zurück senden.

Da landet also die PIN hin und her, um Ganoven auszutricksen, die mir virtuell über die Schultern schauen wollen, um mich abzuzocken. Wenn sie landet. Es gibt nämlich Situationen im täglichen Leben, die die Funktechnik ausbremsen. Und sei es nur ein leerer Akku oder ein gestörtes WLAN. Kommt die PIN tatsächlich aufs Handy und ich finde sie auch, kann ich sie in das Bankprogramm eingeben und bin dann dort angemeldet. Sofern ich die PIN in einem sehr kurzen Zeitraum auf dem Handy gefunden habe. Das kann also dazu führen, dass ich fürchterlich anfange zu fluchen und über die Password-Orgie zu schimpfen.

Ein anderer Orgien-Veranstalter: Kunden-Id und Zugangs-Nr. sind nach Wahl der Internet-Adresse am Eingangs-Bildschirm voreingestellt. Das klappt, obwohl es keineswegs den hehren Ansprüchen des Datenschutzes entspricht. Der Computer durfte sich beide Parameter merken. Aber das auch nur, weil ich normalerweise mit meinem Computer machen kann, was ich will. Dann fordert das Programm in der nächsten Stufe einen hinterlegten Sicherheitsfaktor, das ist bei mir ein freches Wort und Fragmente der Nummer meines Mobiltelefons. Alles schon voreingestellt. Nun muss ich nur noch den Button „Freigabe-Aufforderung“ drücken und darauf warten, dass die SMS auf meinem Mobiltelefon erscheint. Tut sie aber nicht ums Verrecken immer. Als sie sich endlich unter „Messages“ einfindet, ist es zu spät, die Zeit ist abgelaufen.

Jetzt muss ich also die Orgie von Neuem anstoßen. Also, noch einmal „Freigabe-Aufforderung“ drücken und warten. Dieses Mal ist das Nümmerchen innerhalb einiger Sekunden da und als ich es im Computer eingetippt habe, war ich erfolgreich und kann endlich den Dialog beginnen.

Jetzt gibt es den Fall, dass ich per Internet etwas bestelle und die Zahlungsart mit dem Verkäufer vereinbaren muss.

Es kommt mir entgegen, wenn ich „Rechnung“ oder „Abbuchung“ eingeben kann. Dann brauche ich die Orgie nicht. Aber meist ist das nicht der Fall, weil der Verkäufer wohlweislich dem Käufer nicht traut und eine Sicherungsstufe einbauen möchte. Hier kommen dann verschiedene Bezahldienste ins Spiel. An sie überweist man die Kaufsumme, was für den Verkäufer gleichwertig mit einer sofortigen Überweisung auf sein Konto ist.

Zur Sicherheit für den Kunden wartet der Bezahldienst, bis die Ware beim Kunden angekommen ist, bevor er die Summe an den Verkäufer überweist. Damit sind Betrugsversuche in beide Richtungen unterbunden. Der bekannteste Bezahldienst ist PayPal. Aber gerade von ihm rate ich ab, weil er bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Anbieter und mir unseriöserweise die Meinung des Absenders vertreten hat, obwohl nachvollziehbar war, dass dieser unkorrekt gehandelt hatte.

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/onlinedienste/bezahlen-beim-onlineshopping-vor-und-nachteile-von-bezahldiensten-61294

Zitat:

Betrüger können mit Ihrem PayPal-Passwort und Ihrer E-Mail-Adresse ungehindert bei Online-Shops einkaufen, wenn Sie die zweistufige Verifizierung nicht eingestellt haben.

Aber gerade das Handling der „zweistufigen Verifizierung“ geht mir auf den Sack.

Bei der zweistufigen Verifizierung handelt es sich um ein Verfahren, bei dem zwei Authentifizierungsschritte nacheinander durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob eine Person oder eine Sache, die Zugriff beantragt, auch wirklich die Person ist, die sie vorgibt zu sein.

Wenn ich mich am Portal des Kreditgebers durch Angabe des Benutzernamens und des Passwortes erfolgreich angemeldet habe, schlägt das System zu, bevor ich irgendetwas tun kann. Es wird eine sechsstellige Nummer – die ich bestätigen soll - an mein Mobiltelefon gesendet. Darüber bin ich schon mal sauer, ich werde nämlich von einem Unternehmen, bei dem ich Kunde bin, genötigt, ein Mobiltelefon – für mich Mäusekino – einzusetzen. Was die Nötigung anbetrifft, ist das nun leider gang und gäbe. Der öffentliche Dienst hier in Neuss hat auch schon damit angefangen.

Am Ende des Bestellvorgangs gebe ich zunächst die Daten aus meiner Kreditkarte ein. Damit hat der Verkäufer den Beleg, um mit meiner Bank abzurechnen.

Schaue ich mir den Kontostand der Banken an, mit denen ich verbandelt bin, passiert das Gleiche. Jedes mal zweistufige Verifizierung, auch für ganz gewöhnliche und kostenfreie Kontoabfragen. Da muss ich halt aufpassen, dass ich das Telefon bei mir trage und dass es nicht im Auto in der Garage liegt. Nicht so gut, wenn das Mobiltelefon defekt ist. Auch das ist schon vorgekommen.

Letztendlich hat man zur Zeit keine Chance, diesem System zu entkommen. Es wird aber noch schlimmer. Zur Zeit mache ich meine Steuererklärung unter Einbeziehung der Finanzamt-Steuersoftware Elster und es werden mir Abrufcode, Aktivierungs-ID, Steuernummern und Identifikatsionsnummern um die Ohren gehauen.

Ich werde Sie damit verschonen.

Besserung ist in Sicht. Meine Computer erkennen mich inzwischen am Gesicht. Muss auch nur noch vier Buchstaben eingeben, um mich anzumelden. Das macht doch Hoffnung auf Vermenschlichung.

Heinz Elflein

19.01.2025