Pastorale

 Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande

Mit Pastoren habe ich nichts am Hute. Aber die Pastorale hat es mir
angetan. Die Namenswahl entspricht dem Zeitgeist im Jahr der
Entstehung. „Die Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 von Ludwig van
Beethoven mit dem Beinamen „Pastorale“ entstand 1807/1808,
gleichzeitig mit der 5. Sinfonie.“


Ich möchte Sie nun anregen, damit Sie in die richtige Stimmung
beim Lesen dieses Artikels kommen, zunächst diesem Link zu
folgen:
https://de.wikipedia.org/wiki/6._Sinfonie_(Beethoven) 

Der Begriff „Pastorale“ ist seit der Antike in Musik, Literatur oder bildender Kunst die Bezeichnung für Hirten- oder Schäferstücke, die das Landleben, besonders aber das Hirten- und Schäferleben, in idealisierter oder utopischer Form darstellen (ital. pastore = Hirte).

Ich lege die CD mit der Symphonie in das Laufwerk meines Pkw, wenn ich die A3 hinter Würzburg an der Ausfahrt Randersacker verlasse. Dann „erwachen heitere Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“. Wie von Beethoven gewollt.

Biegt man an der Ausfahrt Randersacker links auf die B13 ab, kann man bis nach München fahren. Durch Mittelfranken und Oberbayern. Ich biege manchmal rechts ab, um in Richtung Würzburg nach Randersacker hinein zu fahren. Der bekannte Weinort bietet auch gute Hotels und kulinarische Frankenspezialitäten. In der Ortsmitte steht Balthasars Badewanne.

Die Marktgemeinde Randersacker schrieb bereits im Jahr 2008 einen Künstlerwettbewerb aus, in der eine Brunnenanlage für den neugestalteten Platz konzipiert werden sollte. 

Balthasars Badewanne ist eine auf einem steinernen Podest frei stehende geschwungene Badewanne, innen weiß und außen golden gestrichen, die als Brunnentrog dient. Aus der Mitte der Wanne ergießt sich der Auslauf in einen Gully. Hinter der Wanne erhebt sich ein Steinquader als Zulauf mit goldenem Wasserhahn. Mit goldenen Buchstaben ist dort der Schriftzug Balthasars Badewanne eingemeißelt. Läge man in der Badewanne, würde man direkt auf den schräg gegenüber der Würzburger Straße liegenden Gartenpavillon (Randersacker) von Balthasar Neumann vor dem Randersackerer Rathaus blicken.

Mein Versuch, vor einigen Jahren eine junge Frau zu animieren, gegen eine hohe Belohnung die Wanne zu besteigen, schlug leider fehl. Ich hätte besser nicht auf einer Abbildung im Internet bestehen sollen.

Allerdings muss ich zugeben, für kurze Zeit Beethovens Musik nicht im Ohr gehabt zu haben. Unser Zimmer hatten wir im Bären, ein moderner Gasthof in alter Fassade, mit einem gemütlichen Biergarten.

Beethoven hat dieser Sinfonie die Eindrücke eines (Stadt-)Menschen in der Natur und pastoraler (= ländlicher) Umgebung zugrunde gelegt. Die fünf Sätze behandeln dabei verschiedene Situationen, die sich zu einem Gesamtwerk zusammenfügen.

Die Thematik des Pastoralen hat als Gegenstand künstlerischen Ausdrucks eine lange, bis in die Antike zurückreichende Tradition. In allen Kunstformen subsumiert sich dabei eine idealisierte Darstellung von Naturidylle und Hirtenleben. Die Bezugnahme auf den Lebensraum und die Traditionen der Hirten spielt auch in der musikalischen Pastorale eine zentrale Rolle, was sich besonders in der Hirtenmusik und ihren typischen Instrumenten wie Flöten, Schalmeien und Dudelsack-Instrumente offenbart.

Ab 1803 entstand die 6. Sinfonie (op. 68) in den Jahren 1807 und 1808 gleichzeitig mit der 5. Sinfonie (op. 67) angeblich in Nußdorf und Grinzing, damals Vororte von Wien. Zwischen diesen beiden Ortschaften fließt der Schreiberbach: „Hier habe ich die Szene am Bach geschrieben, und die Goldammern da oben, die Wachteln, Nachtigallen und Kuckucke ringsum haben mitkomponiert.“ Dieses von Anton Schindler, Beethovens langjährigem Sekretär überlieferte Zitat ist jedoch zweifelhaft. Die Sinfonie wurde vermutlich in keinem der damaligen Vororte, sondern in Wien selbst begonnen.

Und so schrieb er beispielsweise im Jahr 1815:

„Mein Dekret: nur im Lande bleiben. Wie leicht ist in jedem Flecken dieses erfüllt! Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig! Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken? Süße Stille des Waldes! Der Wind, der beim zweiten schönen Tag schon eintritt, kann mich nicht in Wien halten, da er mein Feind ist.“

– Ludwig van Beethoven: Skizzenblatt 1815

Dennoch ahmt Beethoven hier mit instrumentalen Mitteln Vogelrufe, die Schritte des Wanderers, das Plätschern eines Baches und ein Gewitter nach.

Von der Ausfahrt Randersacker fahre ich die B13 am Main entlang und komme zu den mittelalterlichen Gemeinden mit alten Fassaden und Stadttoren. Eibelstadt, Sommerhausen, Winterhausen. Zwischenzeitlich habe ich den Kuckuck von der CD rufen hören. Richtung Sommerhausen/Winterhausen musste ich oft die Entscheidung treffen, ob wir beim Hotel-Gasthof Schiff auf der Terrasse am Main blaue Zipfel essen wollen. Das hat sich nun leider erübrigt. Die Inhaber haben aus gesundheitlichen Gründen geschlossen. Wir werden niemand mehr über den Main von Sommerhausen nach Winterhausen schwimmen sehen. Und blaue Zipfel in Unterfranken war sowieso ein Wagnis, weil manchmal Majoran fehlte und Mittelfranken mit Majoran-Garantie ganz nahe ist.

Inzwischen sind wir im zweiten Satz, der Szene am Bach, angekommen und es macht sich gut, dass wir noch am Main entlang fahren, wenn der auch ein größerer Fluss ist.

Vor uns liegt auf der anderen Mainseite die Stadt Ochsenfurt, die wir nicht links, sondern rechts liegen lassen.

Den Kalauer „Warum ist Ochsenfurt so eine intelligente Stadt“ werde ich am Ende dieses Artikels auflösen, wenn Sie ihn brav zu Ende gelesen haben.

Die B13 knickt nun rechts über die Mainbrücke in südlicher Richtung ab. Wir bleiben am Main und kommen durch Frickenhausen.

Das renommierte Weingut-Hotel Meintzinger suchen wir auf, weil es dort einen ganz hervorragenden Rieslaner gibt. Daneben, in Ehrbars fränkischer Weinstube sitzt man fränkisch-gemütlich mit fränkischer Küche. Die Ente wird allgemein gelobt.

Das Tor zur Segnitzer Straße führt uns nach Segnitz, wo wir die Mainbrücke nach Marktbreit überqueren.

Eines der meistfotografierten Motive in Marktbreit sehen Sie hier:

Vorne rein, hinten raus geht es nach Obernbreit und wir machen langsam Anstalten, aus Unterfranken heraus zu fahren.

Weiter geht es über Seinsheim, Hüttenheim, Nenzenheim. Jetzt sind wir am Steigerwald und es wird Zeit, die CD noch einmal hinein zu schieben. Am Teufelsgraben fahren wir den Steigerwald hoch. Vor dem Teufel schützt uns der vierte Satz der Sinfonie.

Der vierte Satz (Donner, Sturm) ist mit insgesamt 155 Takten und knapp vier Minuten Spieldauer der kürzeste der Sinfonie, zugleich aber mit der Schilderung des Gewitters der fulminanteste und an Dramatik kaum zu überbieten.

Nun sind wir an der Grenze zwischen Unterfranken und Mittelfranken. Jedes mal, wenn wir hier vorbei kommen, reizt es mich, das Grenzschild abzusägen und bei mir im Garten aufzustellen. Hatte aber noch nie eine Säge im Auto. Die Kreisverwaltung hat es leider abgelehnt, mir ein Exemplar des hoheitlichen Stückes zur Verfügung zu stellen. Wie Sie sehen, steht das Schild aber jetzt da und ich weigere mich, mitzuteilen, wo ich es her habe.

Nun spielt der Player den 5. Satz, das Allegretto, den Hirtengesang. Es ist ein freundlicher Satz nach dem „Gewitter“. Und wir fahren aus dem Waldstück herunter in ein Nebental eines Nebentales. Kommen trotzdem wieder in einen geschichtsträchtigen Teil, zum Schloss Seenheim in Markt Nordheim. Die Umgebung ist weitgehend Ackerland, das Bächlein, das Ehe heißt, macht sich auf, in die Aisch zu münden. Weit und breit kein Mensch, kein Fahrzeug.

Damit möchte ich es gut sein lassen. Wenn ich in den nächsten Tagen mit der Angelrute am Wasser sitze, wird mich Ludwig van Beethoven besuchen.

Muss jetzt hier nur noch mein Versprechen einlösen: Also, die Ochsenfurter sind so intelligent, weil alle Ochsen furt sind.

Kalauer Ende. Wenn wir über Schweinfurt reden, liest sich das anders.

Heinz Elflein

19.10.2024

 

Das war harte Arbeit. Als Belohnung dürfen Sie jetzt das Konzert in Gänze von meinem PC hier hören und sehen:

https://www.youtube.com/watch?v=Zv4PIFRpYcw&ab_channel=hr-Sinfonieorchester%E2%80%93FrankfurtRadioSymphony